Ein Gespenst geht um. Nicht nur in Europa.

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Es geht ein Gespenst um, nicht nur in Europa: der kleine Mann. Er protestiert auf der Straße, sitzt in Talkshows; Zeitungen berufen sich auf ihn, er ist die Hauptperson in Politikerreden. Seine Sorgen und Nöte scheint man zu kennen, ebenso sein Häuschen, seine Urlaubswünsche und den Kontostand, sein Allerweltsgesicht und die Ehefrau, Freundin, Schwester oder Cousine. Es existiert auch eine weibliche Ausgabe von ihm.

Heinrich Mann und Hans Fallada schreiben über ihn, Werfel, Horvath, Ebner-Eschenbach, Stefan Zweig und Kafka. Er wird als Zwerg im Büro und grauer Beamter geschildert, als Mitläufer und Untertan. Er ist fleißig, sittsam und strebsam, geizig nicht selten; auf alle Fälle platzt er vor Neid. Er schaut auf Kleineres herab und verehrt alles, was größer ist als er selbst. Fürs Große hat er einen besonderen Instinkt.

Inzwischen tragen die kleinen Männer Sneakers und Kapuzenshirt, sie wohnen im Grünen am Rand der Stadt, schaffen sich Designermöbel an. Viele von ihnen haben es zu einem Studienabschluss gebracht und, mit allergrößtem Einsatz, womöglich zum Konzernchef. Der Aufstieg lockt, der Abstieg droht.

Die Romane, die seit Anfang der 2000er Jahre und verstärkt seit der Finanzkrise erscheinen, zeigen: Der Existenzkampf ist bitterer geworden. Die kleinen Leute rennen im Hamsterrad und stehen vorm Absturz, sie sind „Wutbürger“ geworden.