Übernahmen des Hörspiels „Die Vitaminlüge“ v. Daniel Wisser; 13. Juli 2022 Deutschlandfunk, 12. Februar 2023 Bayern 2, 23. April 2023 WDR; Ursendung Ö1; Und wieder zurück auf Ö1, denn: Die Vitaminlüge ist das Lieblingshörspiel der Theater- und Medienwissenschafterin Christine Ehardt: „Weil es auf wunderbare Weise mit dem Wechsel von Innen- und Außenräumen des Erzählens spielt und die tragischen wie absurden Momente des Alltags offenlegt. Außerdem mag ich auch kein Obst.“

Regie: Ursula Scheidle; Produktion: ORF (2021), Dramaturgie: Philip Scheiner
SprecherInnen: Chris Pichler, Andrea Clausen, Linde Prelog, Michou Friesz, Klaus Höring, Bastian Wilplinger, Pippa Galli, Sarah Viktoria Frick, Julien Colombet
Musik: Angelica Castello, Ton: Anna Kuncio, Manuel Radinger

Schauspielworkshop Wien: Dive deep into Demidov Juni 2023

Die organische Schauspieltechnik von Nikolai Demidov ist in der “Kultur der kreativen Freiheit” verwurzelt. Als Gründungsdirektor der Schule des Moskauer Kunsttheaters und einer der drei ursprünglichen Lehrer des Stanislavsky-Systems entdeckte Nikolai Demidov das professionelle Geheimnis, das Schauspieler in Kontakt mit ihrer eigenen kreativen Individualität bringt, indem er sie lehrte, ihre künstlerischen Instinkte zu erkennen und ihnen zu folgen, und er war in der Lage, die Probleme des kreativen Zustands des Schauspielers zu lösen, die Stanislavsky nie lösen konnte.

http://www.demidovaustria.com/

 

SCHREIBT. „Meine Arbeit ist die Sprache“ Autorinnenportrait Anita Pichler (1948–1997) in der Alten Schmiede, gemeinsam mit der Schriftstellerin Sabine Gruber und dem Autor Andreas Jungwirth, 12. Juni 2023 I Radiophone Werkstatt

SCHREIBT. Erinnerungen an die Südtiroler Schriftstellerin Anita Pichler

von Ursula Scheidle, Feature, Ö1-Reihe Tonspuren. ORF 2022 Ursula Scheidle im Gespräch

Andreas Jungwirth am 12. Juni 2023 in der Alten Schmiede um 19 Uhr 30


Anita Pichler (1948–1997) war eine der bedeutendsten Südtiroler Autorinnen der Nachkriegszeit. Als freie Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem Italienischen ins Deutsche lebte sie zwischen Venedig, Wien, Berlin und Südtirol. Mit ihren poetisch-dichten, von historischen und mythologischen Stoffen durchzogenen Texten befasst sich der erste Teil des Abends, mit einem Radio-Feature zur Autorin der zweite.


Es ging Anita Pichler nicht um Freiheit von etwas, es ging ihr um Freiheit zu etwas, die Freiheit etwas zu gestalten, etwas neu zu denken, umzudenken, aus alten Ideologien auszubrechen. Ursula Scheidle interviewte die Autorin vor 25 Jahren zu ihren Erzählungen Die Frauen aus Fanis (1992). Ein Jahr später starb Anita Pichler. Gemeinsam mit dem Musiker Florian Kmet versucht die Feature-Autorin im Gespräch mit den Nachlassverwalterinnen Sabine Gruber und Renate Mumelter sowie der Mythenforscherin Ulrike Kindl den Reiz der zeitlosen Erzählungen Anita Pichlers zu ergründen.

Melitta Urbancic: Beispielloser Kulturtransfer im Exil: Im Standard-Gastblog zeichnet Ursula Scheidle den Lebenslauf einer ungewöhnlichen Frau, die vor dem Nationalsozialismus flüchten musste. 2023

Februar 2023

Die vielseitig begabte Schauspielerin, Sprachwissenschafterin und Philosophin aus Wien führte auf Island die Bienenzucht ein

 

Die Lyrikerin, Schauspielerin und Bildhauerin Melitta Urbancic (1902–1984) flüchtet im September 1938 mit ihren drei kleinen Kindern aus Graz nach Reykjavík. Nur einen Monat zuvor ist ihr Mann, der Dirigent, Komponist und Pianist Victor Urbancic (1903–1958), allein dorthin aufgebrochen, um ein Leben für seine Familie und seine Unterrichtstätigkeit an einer Musikschule vorzubereiten.


Was als vorübergehende Maßnahme gedacht war, sollte ein Leben lang andauern. Im isländischen Exil trug das Ehepaar Urbancic jedoch zu einem beispiellosen Kulturtransfer bei: Victor Urbancic prägte eine ganze Generation an Musikschaffenden und wurde für sein Schaffen mit dem Ritterkreuz des isländischen Falkenordens ausgezeichnet. Melitta Urbancics lyrisches Werk hat allerdings erst posthum in den letzten Jahren auf Island und in Österreich eine späte Würdigung erfahren.


Jugend, Studium, Heirat

Melitta Urbancic wurde als zweite von drei Töchtern des Rechtsanwalts Alfred Grünbaum und seiner Frau Ilma, geborene Mauthner, am 21. Februar 1902 in eine bürgerliche jüdische Familie in Wien geboren. Sie besuchte das Reformrealgymnasium Luithlen und studierte anschließend Anglistik, Germanistik und Philosophie in Wien, wo sie auch heimlich Schauspielunterricht bei Max Reinhardt nahm, und brach schließlich nach Heidelberg auf, um dort bei Karl Jaspers und Friedrich Gundolf weiterzustudieren. 1928 schloss sie ihr Studium mit einer sprachwissenschaftlichen Dissertation mit dem Titel „Der fünffüssige Jambus bei Grabbe“ in Heidelberg ab, zeitgleich hatte sie erste Schauspielengagements in Baden Baden, Konstanz und Koblenz.


Noch während ihrer Studienzeit in Wien lernte Melitta Victor Urbancic kennen; er war der Enkel des Ohrenarztes Viktor von Urbantschitsch und ein Verwandter des Schauspielers und Oscar-Preisträgers Christoph Waltz. Die beiden heirateten 1930. Sie folgte ihrem Mann nach Mainz, der dort seit 1926 am Theater engagiert und später an der Musikhochschule tätig war. 1931 kam ihr gemeinsamer Sohn Peter (Pétur) in Wien zur Welt, 1932 Tochter Ruth in Mainz. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 machte für die Familie einen weiteren Verbleib in Mainz aufgrund Melittas jüdischer Abstammung unmöglich. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Wien wurde Victor Urbancic in Graz am Konservatorium, an der Universität und der Oper angestellt.


Interesse für Bienenzucht

Es muss in dieser Zeit gewesen sein, wie Melitta Urbancics zweite Tochter, die Musikerin, Feldenkrais-Pädagogin und Übersetzerin Sibyl Urbancic, in einem unveröffentlichten Interview erzählt, dass Melitta Urbancic bei Karl von Frisch im Salzkammergut die Bienenzucht erlernte. Ihr drittes Kind Sibyl kam 1937 in Graz zur Welt. Zur gleichen Zeit hielt Melitta Urbancic ihre ersten eigenen Bienen im Garten. Sie habe nie eine Maske oder einen Handschuh getragen, wenn sie mit ihren Bienen arbeitete. „Sie kennen mich. Sie stechen mich nicht. Wenn ich mich gegen sie anziehe, dann betrachten sie mich als Feind“, meinte sie.

Den Einmarsch der Hitler-Truppen in Österreich im März 1938 erlebte die Familie als traumatisch. Der Vater Alfred Grünbaum starb kurz danach am 10. April 1938. Zeitgleich gelang Victor Urbancic ein Stellentausch mit seinem ehemaligen Studienkollegen Franz Mixa, einem in Island tätigen Komponisten, der am Aufbau eines Musikkonservatoriums in Reykjavík beteiligt gewesen war, und reiste im August 1938 alleine dorthin, um die Lage zu sondieren. Die Familie sollte nachkommen.


Flucht und Exil

Melitta Urbancic flüchtete nach einem Verhör durch die Gestapo in Graz nur einen Monat später mit ihren drei kleinen Kindern nach Wien zu ihrer Mutter und von dort nach Island in die absolute Fremde; im Gepäck befanden sich lediglich die Reisepapiere, ein wenig Schmuck und ein Messingtopf mit hauseigenem Honig. Spätere Versuche, ihre Mutter nach Island nachzuholen, scheiterten an den dänisch-isländischen Behörden. Ilma Grünbaum wurde deportiert und im Jänner 1943 im Ghetto Theresienstadt ermordet.

Reykjavík zählte damals an die 35.000 Einwohner und Einwohnerinnen, hatte kaum asphaltierte Straßen und ein erst im Aufbau begriffenes Musikleben. Melitta Urbancic verlor durch die Flucht dorthin nicht nur ihre Heimat und ihr Elternhaus, sondern als Schauspielerin, Sprachwissenschafterin und Philosophin auch ihr ureigenstes Werkzeug: Sprache. Außerdem pflegte man im Island der 1940er- und 1950er-Jahre gesellschaftlich noch einen eher restriktiven Umgang mit Frauen.


Neue Karrierewege

Melitta Urbancics im Exil entstandene Gedichte offenbaren einen singulären Blick auf die Atlantikinsel. Erst 2014 wird der von ihr konzipierte Lyrikband „Vom Rand der Welt“ zweisprachig in Reykjavík veröffentlicht. 2022 erschien in Wien ein Auswahlband weiterer Lyrik mit dem Titel „Unter Sternen“.

 

In Island begann sich Melitta Urbancic neben der Dichtung auch der Bildhauerei zu widmen. Zusätzlich unterrichtete sie Deutsch, Französisch, Englisch, übersetzte – und bekam im Mai 1945 noch eine Tochter, Eiríka. Außerdem wurde sie vierzehn Jahre nach ihrer Flucht zur Bienenpionierin auf Island: Es gelang ihr, neun Jahre lang auf dem damals klimatisch noch viel kälteren Island in ihrem Garten Bienen zu züchten und ihr Wissen auch weiterzugeben. 1953 gründete sie in Reykjavík den ersten Bienenzuchtverein. Die Isländer kannten auf ihrer Insel noch keine Bienen und schwankten zwischen Neugierde und Angst vor diesen fremden Insekten. In einem Zeitungsartikel im „Alþýðublaðið“ aus dem Jahr 1951 wurde Melitta Urbancic zitiert, dass es ihr Wunsch sei, den Menschen auf Island den Umgang mit Bienen nahezubringen. Dadurch meinte sie auch, einen Teil ihrer Dankesschuld für die Aufnahme an ihr zweites Heimatland abzuleisten zu können.

Melitta Urbancic starb am 17. Februar 1984 in Reykjavík. Begraben ist sie in ihrem Kindheitsort Purkersdorf in Niederösterreich. Ihr 1958 gestorbener Mann Victor wurde auf Wunsch Melittas am historischen Friedhof in Rekyjavík begraben, obwohl dort nur ein Einzelgrab zur Verfügung stand. Der Friedhof jedoch war einer der wenigen Orte in Reykjavík mit Baumbestand, und das war der naturverbundenen Melitta wichtiger. Sie selbst wünschte in ihrer Heimat begraben zu werden. Nachträglich wurde aber ihr Name auf den Grabstein, den sie selbst entworfen hatte, ergänzt. (Ursula Scheidle, 16.2.2023)