Scheidle liest: Das größte Erlebnis unserer Generation

Madrid im Dezember 1936: Die deutsche Journalistin Anita Adam ist eine emanzipierte Frau mit politischem Weitblick. Wie viele Europäer will sie die spanische Republik gegen den Putsch der Franco-Faschisten unterstützen. In der Zensurstelle der berühmten Telefónica vermittelt sie deshalb zwischen internationalen Journalisten und der militärischen Führung. Mit ihrem Versuch, das Zensursystem zu modernisieren, macht sie sich dort jedoch gefährliche Feinde. Einen Verbündeten findet sie in Agustín Sánchez, dem Kommandanten der Telefónica. Während sich die beiden allmählich näherkommen, fallen vor der Telefónica die Bomben von Hitlers Legion Condor auf die wehrlose Zivilbevölkerung, und die Front droht aufzubrechen.
Ilsa Barea-Kulcsar verarbeitet ihre Erfahrungen während des Spanischen Bürgerkrieges in einem eindrucksvollen und bewegenden Roman.

Ilsa Barea-Kulcsar, (1902–1973 in Wien). Studium an der Staats- und Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP). Nach Beginn des Spanischen Bürgerkriegs kam sie im November 1936 nach Madrid, wo sie in der Zensurstelle für die Auslandspresse tätig war. 1938 heiratete sie den spanischen Schriftsteller Arturo Barea und ging mit ihm ins Exil nach Frankreich. In Paris begann sie den Roman »Telefónica«, den sie 1939 in England fertigstellte. Dort arbeitete sie als Übersetzerin, u.a. für den Abhördienst der BBC. 1965 kehrte sie nach Wien zurück, schrieb für Zeitungen des ÖGB und fungierte als Bildungsfunktionärin der SPÖ.

Der Weibsteufel: Nominiert zum Hörspiel des Jahres 2019

Der Weibsteufel

„Ö1 Hörspiel“ zu Karl Schönherrs gleichnamigem Drama.

„Ich bin keine Sterberin. Ich leb gern; ja, jetzt noch lieber als früher. Wenn schon gstorbn sein muss, warum denn grad ich und du, zwei gsunde Leut?“ Nüchtern zieht das Weib vor dem Grenzjäger in Karl Schönherrs Stück „Der Weibsteufel“ seinen Schluss aus den Erfahrungen, die es durch den wechselhaften Kampf mit sich selbst und den beiden Männern gemacht hat.

„Der Weibsteufel“ von Karl Schönherr (ORF/SWR 2019)

Einblick in die körperlichen Nöte

„Der Mann. Sein Weib. Ein junger Grenzjäger. Schauplatz: Eine Stube“ – so schlicht leitet Karl Schönherr seine Dreiecksgeschichte ein, die 1915 am Wiener Burgtheater zur Uraufführung gelangte und eines seiner erfolgreichsten Stücke werden sollte.

Es ist ein Drama mit einfachem Plot, das zwischen den Worten seine Vielschichtigkeit offenlegt und Satz für Satz die mörderische Dynamik zwischen den drei typisierten, namenlosen Figuren vorantreibt, deren Bedürfnisse aber nicht konkreter und menschlicher sein könnten. Karl Schönherr war nicht nur Schriftsteller, er war auch Arzt. Er hatte tiefen Einblick in die körperlichen Nöte der Menschen und wusste genau um die oft schwerwiegenden sozialen Konsequenzen mangelnder Gesundheit.

Taktisch eingesetzte Erotik

Aus diesen Nöten bzw. Begierden entwickelte er den Unterbau zu seinem „Weibsteufel“. Er verknüpfte zeitlose Motive wie Status, Besitz und Anerkennung mit dem unerfüllten Kinderwunsch der Frau, der nicht erfüllenden Sexualität des mittellosen Ehepaares und einer zunächst nur taktisch eingesetzten Erotik des Jägers, die, sobald echte Gefühle ins verräterische Spiel kommen, nicht mehr so einfach kontrolliert werden kann.

Der Mann treibt sein Weib an, den falschen Avancen des Jägers nachzugeben, damit er ungestört seiner Hehlerei nachgehen kann. Er will das Haus am Marktplatz kaufen, um so den gewünschten gesellschaftlichen Aufstieg zu erlangen und zumindest auf diese Weise vor seinem Weib als „ganzer Mann“ dazustehen.

Zum Warenwert degradiert

Der Jäger lässt sich wiederum vom Kommandanten auf das Weib „ansetzen“, um den kriminellen Machenschaften des Paares auf die Schliche zu kommen und eine schnelle Beförderung zu erreichen. Das Weib weist zunächst das Ansinnen des Mannes zurück, spielt aber schließlich mit, bis es, mehrfach verraten vom „System Weibsteufel“, zur Einzelkämpferin wird.

Im Konkurrenzkampf der beiden Männer zum Warenwert degradiert, erkennt es in dieser Ware ein Werkzeug, lernt es einzusetzen und schlägt die Herren mit ihren eigenen Mitteln. Intimität, Grenzen die überschritten werden, und vor allem das, was nicht gesagt wird: Mit diesen Innenräumen beschäftigt sich dieses Hörspiel, das die bäuerliche Stube in seiner musikalischen Umsetzung weder zeitlich noch regional verortet.

(c) ursula hummel berger